Gespenster der Hypermoral
- Hendrik Bicknäse

- 13. Juli 2021
- 1 Min. Lesezeit
Zum Artikel vom 14.07.2021 zum Thema „Straßennamen auf dem Prüfstand des Integrationsrates“
Wahrlich, wir leben in unlustigen Zeiten. Eine Zeit erkennt man oft auch daran, wie wenig kleine Fehler verziehen werden. Die Kleingeisterei zerstört das Klima der Toleranz, in dem Wissenschaft und Kunst entstehen kann. Wenn unbequeme Themen, die von Künstlern ausgelotet werden wollen, nun sanktioniert werden, wird das eine Form von Barbarei und Duckmäusertum.
Kunst hat auch mit Lust zu tun. Und Wissenschaft kann sich nicht nur in den Bahnen des allein Braven und Wohlanständigen bewegen. Kein Höllenthema darf hier zu gefährlich sein, um es zu verbieten. Es sind bei Weitem eben nicht nur Anhänger rückwärtsge-richteter Gesinnung, die sich unsere Gesellschaft gern übersichtlicher vorstellen möchten.
Dass Lust und Grosszügigkeit auch in Wissenschaft und Kunst Grenzen haben, ist keine Frage. Werke von Personen der Geschichte sollten jedoch keineswegs allein aus kurzer Sicht heutiger Moral- und Wertvorstellungen beurteilt werden.
Es ist auch eine Frage an uns alle, was wir ändern müssen, um die unerträglich moralingetränkte Übersichtlichkeit, die uns den Hals bricht, zu stoppen. Den Tugendfurors beklagte schon alt Bundespräsident Joachim Gauck.
Selbst wenn politisch oder menschlich zweifelhafte Philosophen, Wissenschaftler, Offiziere, Künstler & Literaten aufgrund kleiner oder größerer Fehltritte aus heutiger Sicht abgelehnt werden könnten, deren Arbeitsergebnisse und Bücher möchte ich zumeist nicht missen – wenn sie doch gut und wertvoll sind. Beispiele dafür gibt es reichlich.
Dem Integrationsrat ist sehr zu wünschen, dass er sich inhaltlich und personell überprüft.
22.07.2021
Hendrik Bicknäse, Göttingen,
Schriftsteller





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